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Steinway M mit Sirius 6.0 Klaviatur

Der Weg zur genormten Tastengröße

Während wir seit ca. 1880 auf Klavieren und Flügeln eine genormte Tastaturgröße vorfinden, hatte in der Zeit davor jeder Klavierhersteller durchaus eigene Klaviaturmensuren. Mal ein bisschen breiter, mal ein bisschen schmäler. Für Pianist*innen war es selbstverständlich, sich neben den klanglichen Unterschieden immer auch auf verschiedene Tastengrößen einstellen zu müssen. Eines war allerdings den meisten historischen Instrumenten gemeinsam: Im Allgemeinen waren die Tasten etwas schmäler als auf der heutigen Normklaviatur. Das heißt, dass Beethoven, Schumann, Chopin, der junge Liszt und viele andere ihre Werke an einer schmäleren Tastatur komponiert haben. Viele Faktoren führten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts allmählich zu einer Normierung und man kann nicht mit Gewissheit sagen, warum gerade auf die heutige Größe von 6.5 Zoll (ca. 16,5 cm) pro Oktave. Orientierte man sich an großen Händen reisender Virtuosen? Hatte es auch mit der Vergrößerung der akustischen Anlage der Instrumente zu tun?

Zeitgemäß oder überholt?

Was sich über die Dauer fast eines ganzen Jahrhunderts zunächst als äußerst praktisch bewährte, gerät heute zunehmend in die Kritik. Längst ist statistisch belegt, dass die Normklaviatur für viele Pianistinnen und Pianisten zu groß ist, um das gesamte Repertoire, das sie gerne spielen würden, nach bestem musikalischem Können auszuführen. Frauen haben im Durchschnitt kleinere Hände als Männer, Menschen asiatischer Herkunft im Schnitt eine geringere Spannweite, hochbegabte Kinder und Jugendliche kleinere Hände als Erwachsene, aber auch viele Männer haben kleinere Hände. Daniel Barenboim ist nicht der erste, der einen Flügel spielt, bei dem Oktaven um ca. 7 mm schmäler sind. Schon Josef Hofmann ließ sich seiner Zeit (1911) einen Flügel mit einer kleineren Mensur bauen. Zwar gibt es zahlreiche professionelle Möglichkeiten, auch mit kleineren Händen auf der Normklaviatur zurecht zu kommen, trotzdem sind häufig Einschränkungen im Repertoire oder gar Überlastungssyndrome die Folge.

Könnten schmälere Klaviaturen bald überall zu einer Alternative werden?

Was in den USA vor über zwanzig Jahren mit den Bemühungen von Christopher Donison und David Steinbuhler begann, hat sich in der Zwischenzeit weltweit verbreitet: Der Wunsch nach Verfügbarkeit schmälerer Tastaturen, und zwar auf allen Ebenen, in Konzertsälen, bei internationalen Wettbewerben, in der Ausbildung an Hochschulen, in Musikschulen und zu Hause. Steinbuhler-Klaviaturen mit 6.0- und 5.5-Mensuren (entspricht ca. 15,2 cm bzw. 14 cm pro Oktave) sind an etlichen amerikanischen Universitäten bereits vorhanden. In Europa war die Hochschule für Musik und darstellende Kunst Stuttgart das erste Ausbildungsinstitut, das über einen Flügel mit einer Oktavbreite von 6.0 Zoll verfügte. Seit 2020 widmet sich die Zukunftsinitiative Sirius 6.0 der HMDK Stuttgart der Verbreitung und Weiterentwicklung von Klaviaturen mit verkleinerter Mensur. Mit unserem „Steinway M mit Sirius 6.0-Klaviatur“ schließen wir uns dieser Zukunftsinitiative an. Die Hochschule für Musik Nürnberg leistet durch die Bereitstellung dieses Flügels gleichzeitig einen wichtigen und wegweisenden Beitrag zur Chancengleichheit und zur Musiker*innen-Gesundheit.

… und wie spielt es sich auf einer 6.0-Klaviatur?

Erste Erfahrungen zeigen, dass nicht nur Pianist*innen mit kleineren Händen profitieren. Auch Musiker*innen mit mittleren und größeren Händen berichten von angenehm entspanntem Spiel, kleineren Bewegungen und leichterer Klanggestaltung bei großen Griffen. „I realized that my sound had changed because there was no tension in my hand anymore”, erläutert Prof. Dr. Aurelia Visovan, Professorin für Klavier an der Hochschule für Musik Nürnberg, nachdem sie eine halbe Stunde auf dem Stuttgarter Sirius 6.0 gespielt hatte.

Ganz im Sinne eines differenziellen Lernens und Übens kann man von solchen neuen Erfahrungen nur profitieren. Die Umstellung von einer Tastaturgröße auf eine andere dauert nur wenige Minuten. Niemand braucht sich sorgen, Stücke auf einer Normklaviatur nicht mehr gut spielen zu können, wenn sie erfolgreich an einer 6.0-Klaviatur geübt wurden. Im Gegenteil: Viele Pianist*innen berichten, dass sie auf der Normklaviatur besser spielen, nachdem sie auf der Sirius 6.0-Klaviatur geübt haben.

Umgebaut wurde der Flügel in den Werkstätten der Klaviermanufaktur Steingraeber in BayreuthUmbau der Tastatur

Evaluation

Zur Evaluation der Sirius 6.0 Klaviatur steht ein Online-Fragebogen bereit, der zusammen mit unserem RE|LEVEL-Team entwickelt wurde. Wir sind gespannt auf IHRE Erfahrungen und freuen uns über jeden Bericht. Der Flügel steht in Übungsraum 1.25.

Ansprechpersonen

Prof. Ulrich Hench Fachdidaktik Klavier, Klavier, Praxisorientiertes Klavierspiel

Prof. Dr. Aurelia Vişovan Klavier (Hauptfach)